Ein verunfallter Zeppelinbrief aus dem Jahr 1933!

Während der ganzen Zeppelin-Ära ist keine verunfallte Post bekannt mit Ausnahme der Hindenburg Katastrophen-Post. Meine Abbildung zeigt aber einen Brief von der ersten Südamerikafahrt 1933, aufgegeben am 21.IV.33 in Triesenberg, Liechtenstein, der ganz ohne  Zweifel einen Wasserschaden erlitten hat. Der Stempel "DEMAGED BY WATER" ist amtlich und bestätigt dies. Was also kann diesem Brief geschehen sein?

 

Der Nachfolgende Artikel wurde von Roland F. Kohl in der SBZ Nr. 1/1991 veröffentlicht. Der Originalbrief ist in meinem Besitz und steht auf Anfrage zum Verkauf.

Der Brief ist an eine Signora (richtiger wäre wohl Señora gewesen), postlagernd in Antofagasta, Chile, adressiert. Unter dieser Adresse hat der Absender vermerkt: "Retourner E. Gerber, Suisse". Die Dame hat also gar nicht existiert, es war eine Schein-Adresse, und der Brief sollte an den Absender zurückgesandt werden, was auch auf der Rückseite vermerkt wurde. Der Brief war übrigens eingeschrieben, der R-Zettel, wie auch eine Briefmarke, sind bei dem Wasserbad abgefallen. Die Zeppelinreise endete für den Brief in Recife, wo das Luftschiff am 9. Mai um 18.30 Uhr eintraf. Dort wurde die Post von Flugzeugen des Syndicato Condor übernommen und - gemäss Angaben der PTT - wie folgt weiterbefördert:

in 1 Tag:                nach diversen Staaten in Brasilien und Rio de Janeiro

in 2 Tagen:          nach Rio Grande do Sul, Montevideo und Buenos Aires   

in 2 - 4 Tagen:    nach Santa Cruz, Cochabamba, La Paz, Arica und Santiago

Der Absender war wohl mit den PTT- Angaben vertraut, denn er vermerkte richtig am oberen Rand des Briefes "Con Posta aerea: Recife-Santiago (Syndicato Condor Ltd.)". Der Brief müsste also etwa am 13. Mai in Santiago gewesen sein. Leider wurde dort kein Transitstempel angebracht, jedoch sehen wir einen solchen von Valparaiso mit leider nicht lesbarem Datum. Valparaiso liegt unweit von Santiago direkt am Pazifik. 

Wie die Reise weiterging, ob per Bahn oder per Schiff, ist ungewiss. Antofagasta liegt ca. 100 km nördlich von Valparaiso, ebenfalls im Pazifik. Über das weitere Schicksal des Briefes geben drei Stempel, die von der Post in Atofagasta angebracht wurden, genau Auskunft:

1er AVISO 16 Mayo

2o AVISO 26 Mayo und

3er AVISO 7 Junio1933

Der Brief wurde also dreimal "behandelt", am Tag des Eintreffens, 10 Tage später und nochmals 12 Tage später. Da er dann immer noch nicht abgeholt worden war, wurde er nun (vermutlich) auf die Rückreise geschickt.             

 

Da dem Brief bisher offenbar kein Unfall widerfahren ist, muss der Unfall auf der Rückriese erfolgt sein. Die Rückreise ist natürlich auf normalem Wege d.h. per Bahn und Schiff erfolgt. Da der Brief einen Wasserschaden erlitt, ist ein Schiffsunfall anzunehmen. Über derartige Unfälle gibt es einschlägige Literatur, z. B. das Buch von A.E. Hopkins              "A History of Wreck Covers", erschienen 1967 bei Robson Lowe Ltd in London. Das Buch befasst sich mit Unfällen auf See, auf dem Land und in der Luft. Unter den erwähnten Unfällen auf See finden wir tatsächlich folgenden Hinweis, der zu unserem Brief passen könnte:

 

Feuer an Bord der "Cabo San Antonio". Das spanische Schiff verliess Buenos Aires am 22. Juni 1933 mit dem Ziel Genua. Unterwegs brach im Postraum ein Feuer aus. Das Schiff fuhr zurück nach Las Palmas, wo das Feuer von der Besatzung gelöscht werden konnte. Da das Schiff keinen Schaden erlitten hatte, setzte es seine Fahrt fort. 837 Postsäcke von Buenos Aires, Montevideo und Santos für Barcelona wurden vernichtet, und 212 Postsäcke von Buenos Aires und Montevideo für Cadiz wurden von Löschwasser durchnässt. Berichtet wird von zwei bekannten Briefen, aufgegeben in Buenos Aires am 2. Juni 1933 beziehungsweise Santa Cruz am 7. Juni 1933, beide Briefe sind nach Glasgow adressiert, wo sie einen Ankunftsstempel vom 1. August 1933 erhielten. Diese Briefe sind mit einem Vermerkstempel in französischer Spreche versehen: "Correspondance brulée à bord du Paquebot Cabo S. Antonio"

Zeitlich könnte unser Brief durchaus an Bord dieses Schiffes gewesen sein. Nicht ohne weiteres erklärbar ist es, warum der Brief nach England geleitet wurde, wo man den Stempel "Demaged by Water" angebracht hat. Ausgeschlossen ist es jedoch keineswegs, dass der Brief von Cadiz nach London gelangte und erst von dort zurück zu seinem Absender in der Schweiz. Da ein anderer Schiffsbrand in der fraglichen Zeit nicht bekannt ist, wird es sich wohl wie geschildert verhalten haben. Leider hat der Brief keinen Eingangsstempel von Sempach Station erhalten. Der Besitzer des Briefes, Sohne des Absenders, erklärte mir, dass sein Vater, damals Posthalter in Sempach Station, ungeduldig auf die Rückkehr seines Briefes gewartet hatte, und als er endlich eintraf, vermutlich vor Aufregung vergessen hat, den Brief mit einem Ankunftsstempel zu versehen.

Dies ist ein neuerliches Beispiel zum Thema "Briefe erzählen eine Geschichte".

Roland F. Kohl 1991

 

Dieser Brief befand sich bis anhin in der Sammlung des Posthalters von Sempach Station. Er darf wohl als äusserst interessant und einzigartig bezeichnet werden. Er stellt eine Bereicherung in jeder Zeppelin- oder Unfallpostsammlung dar. Interessierten Sammlern steht der Brief zum Kauf zur Verfügung.