12.11.1944 Zürich, Luftpostkarte nach Algier, Algerien. Leitweg via Schweden. Die Postkarte wurde durch die ABP Berlin und in London zensiert. Hinweisstempel der schwedischen Post: „Damaged through an air / plane accident in course of conveyance” und britischer Stempel O.A.T. (Onward Air transmission).
Rückseite: chemische Zensur und deutscher Zensurstempel.
Am 27. Juli 1937 fand der erste Probeflug der Focke Wulf FW 200 Condor in Bremen statt. Nach erfolgreichen Tests wurden 10 Vorserienmaschinen gebaut. Die FW 200 war als Verkehrsflugzeug für eine
Besatzung von 4 Mann und 26
Passagieren vorgesehen. Nach weiteren positiven Tests kam schnell der Wunsch nach Langstreckentauglichkeit auf. Die ersten Maschinen wurden bereits bei der Lufthansa im Streckenerprobungsverkehr
eingesetzt, und beim Stammwerk in Bremen arbeitete man bereits an der Fertigstellung des ersten Serienflugzeugs.
Ernst Udet, der neue Generalluftzeugmeister der Luftwaffe, tauchte immer häufiger in Bremen und in Berlin-Staaken auf, um die Fortschritte der Entwicklung der FW 200 zu beobachten. Niemand dachte
in dieser Zeit daran, dass dieses Flugzeug im Krieg eine erhebliche Rolle spielen würde. Die Probeflugphase erbrachte immer mehr überzeugende Ergebnisse, so dass alsbald die Maschine mit
Zusatztanks ausgerüstet wurde, um damit Interkontinentalflüge nach New York und Tokio zu absolvieren. Am 10.8.1938 startete Kapitän Henke mit der Maschine von Berlin-Staaken zu
ihrem 6370 km langen Non-Stop-Flug über Hamburg, Glasgow, Neufundland und Halifax nach New York. Das Ziel wurde bei einer durchschnittlichen Reisegeschwindigkeit von 255 km/h nach 24 Std. und 56
Min. erreicht. Der
Rückflug am 13. 8.1938 dauerte sogar nur 19 Std. und 55 Min. Als die Maschine in Berlin-Tempelhof eintraf, wurde sie von einer begeisterten Menschenmenge empfangen. Bereits am 28. November flog
die gleiche Besatzung in 34 Stunden nach Hanoi. Der Weiterflug nach Tokio bedeutete eine weitere Rekordleistung, so wurde die japanische Hauptstadt in
nur 46 Std. und 18 Min. angeflogen. Nach diesen guten Erfolgen der FW 200 wurden die Maschinen auch von der Luftwaffe bestellt und in Dienst gesetzt.
Der Typ FW 200 Condor „Friesland“ D-ARHW, von dem dieser Artikel handelt, wurde Mitte 1939 in die Flotte der Deutschen Lufthansa aufgenommen und bis zum Kriegsbeginn auf verschiedenen Routen
eingesetzt. Später wurde sie der Luftwaffe überstellt und nach entsprechender Umrüstung als Transporter in Norwegen eingesetzt. Im Juli 1944 wurde die FW 200 „Friesland“ wieder der Lufthansa
zurückgegeben, wo sie im Liniendienst auf der Spanienstrecke
unterwegs war. Ab Ende Oktober wurde die „Friesland“ auf der Linie zwischen Berlin-Tempelhof und Stockholm-Bromma eingesetzt.
Focke Wulf FW 200 Condor „FRIESLAND“
Die oben abgebildete Bildpostkarte wurde am 12. November 1944 in Zürich als Luftpostkarte aufgegeben mit dem Ziel Monsieur et Madame André Delorme in Algier, Algerien. Die Karte konnte nicht direkt von Zürich aus mit Luftpost abgeleitet werden und wurde mit der Bahn nach Berlin gesandt. In Berlin wurde die Karte durch die Auslandbriefprüfstelle zensiert, bevor sie mit der Luftpost weiter nach Schweden transportiert werden konnte.
Es war ein nasskalter Tag, dieser 29. November 1944 am Flughafen Berlin-Tempelhof, wo die Focke Wulf FW 200 Condor „Friesland“ für ihren Flug nach Stockholm bereitgemacht wurde. Die besagte Karte
wurde in einem von 60
Postsäcken, die hauptsächlich Feldpost beinhalteten, im Heck der Maschine verstaut. An Bord der Maschine befanden sich nebst den vier Besatzungsmitgliedern, den Flugkapitänen Gutschmid und
Breitenbach, dem Maschinist Brauner und dem Funker Lenz, drei deutsche, zwei schwedische und ein japanischer Passagier. Die Maschine startete pünktlich von Berlin-Tempelhof und meldete sich ca.
eine Stunde später von der Leitstelle Stettin ab und in der Leitstelle Malmö an. Es war geplant, dass die „Friesland um ca. 11.00 Uhr in Malmö zwischenlandet. Kurz nach der letzten Funkpeilung
brach der Kontakt mit der Maschine ab.
Flugkapitän Gutschmid entschied sich aufgrund des zunehmend schlechten Wetters kurz vor der Zwischenlandung in Malmö, die Maschine unter die Wolkendecke in tiefe Höhe (ca. 200 Meter) zu drücken
und so den Anflug auf Malmö über den Sund einzuleiten. (Über die folgenden Ereignisse gibt es verschiedene Theorien, wovon keine zu 100 % belegt ist. Meine Version entspricht der Quintessenz
dieser verschiedenen Theorien und nimmt nicht in Anspruch, die einzig Richtige zu sein.) Unter der Maschine lag in einem Fjord der deutsche Dampfer „Nordsturm", der zur Sicherung der Aussengrenze
des deutschen Reichs mit Flak-Geschützen bestückt worden war. Diese Vorpostenboote hatten den Auftrag, von den fast ungehindert eindringenden alliierten Bomberverbänden, die sich nach Abwurf der
Bomben über den deutschen Städten über den nordischen Ländern sammelten und den Heimweg antraten, soviele wie möglich abzuschiessen.
Als die Geschützmannschaften an Deck der „Nordsturm“ die Motorengeräusche hörten, und weil die ihnen entgegenkommende Maschine mit ihren 4 Motoren sehr an einen englischen Liberator Bomber
erinnert,
eröffneten sie sofort das Feuer auf die „Friesland“.
Die Maschine fing sofort Feuer und stürzte, einen feurigen Schweif hinter sich her ziehend, nach nur kurzer Zeit südlich von Makläppen ins Meer. Augenzeugen, die das Geschehen vom naheliegenden
Leuchtturm von Falsterbö beobachteten, alarmierten sofort die Seerettung und andere Marineeinheiten. Mehrere Patrouillenboote, Trawler und Yachten liefen aus Trellerborg und Skanor in den
Falsterbö-Kanal aus, um nach Überlebenden zu suchen. Eine F10 der Luftaufklärung fand das Wrack südlich von Makläppen noch schwimmend im Meer. Alle Besatzungsmitglieder und Passagiere fanden beim
Absturz den Tod. Der Fischer Arthur Berggren war der erste an der Absturzstelle. Er fand nebst ein paar Stühlen und anderen persönlichen Habseligkeiten auch mehrere Postsäcke. Die aufgefundenen
Gegenstände wurden an das Auswärtige Amt in Stockholm weitergeleitet.
Bild einer abgestürzten Focke Wulf FW 200 „Condor“
Die Schweden bargen bis zum 4. Dezember 1944 zwei Leichen, 29 Postsäcke, 10 Schwimmwesten, eine Fahrwerkshälfte und sonstige Teile des Wracks. Bei der Untersuchung der Wrackteile fanden sie Splitter und Geschossspuren von 20mm-Leuchtspurmunition. Das Wrack der FW 200 „Friesland“ wurde bis heute nie gefunden. Die deutsche Besatzung des Dampfers „Nordsturm“ hat wohl nie vermutet, ein eigenes Flugzeug über Falsterbö abgeschossen zu haben.
Die geretteten Postsäcke, 29 an der Zahl, wurden im Auswärtigen Amt in Stockholm getrocknet und sortiert. Post, die nach Schweden adressiert war erhielt einen achtzeiligen, in Schwedisch
geschriebenen Verschlusszettel mit dem Hinweis auf den Absturz „Denna försandelse har skadets av vatten vid förolyckandet
av flygmaskinen a linjen Berlin-Stockholm nara Falsterbo den 29. November 1944. Frimärkena hava i en del fall bortfallit.“ Post ins weitere Ausland wurde mit einem rechteckigen violetten Stempel mit der Inschrift
„Damaged through an airplane accident in course of conveyance“ versehen. Dieser Stempel wurde bereits im gleichen Jahr bei dem Flugzeugunfall vom Kinnekulleberg verwendet. Und erlangte so
einen zweiten traurigen Einsatz.
Die schwedische Post brachte für Post nach Schweden einen Aufkleber in schwedischer Sprache auf den aufgefundenen und beschädigten Belegen an und für Transitpost einen Hinweisstempel in englischer Sprache.
Unsere voran beschriebene Bildpostkarte nach Algerien befand sich ebenfalls in einem der geretteten Postsäcke. Die Karte wurde mit dem violetten Kastenstempel „Damaged through an air / plane accident in cours / of conveyance.“ versehen und mit einiger Verspätung Richtung England auf die Weiterreise geschickt.
In London angekommen, wurde die Karte noch einmal zensuriert und hatte das Glück, die oberste in einem Briefbündel von ca. 60 Briefen und Karten zu sein, welche alle Richtung Algerien, mittels
Flugzeug, weitergeleitet werden sollten. Diesem Umstand verdankt unsere Karte den O.A.T. Stempel Typ 1 (Onward AirTransmission) in rot, welcher nur auf den obersten Brief oder die oberste
Postkarte des Bündels gestempelt wurde. Der zweite grosse Zufall, dass unserer Karte nach dem Abschuss und dem glücklichen Auffinden auch noch diesen Stempel abgeschlagen bekam.
Wann genau unsere Karte in Algerien angekommen ist, bleibt leider mangels Ankunftsvermerken dahingestellt. Durch diesen Beleg wird deutlich, dass auch die neutrale Schweiz als „Insel“ im
Weltkriegsgeschehen bezüglich der schriftlichen Kommunikation mit dem Ausland erheblichen Problemen ausgesetzt war.
Die genauen Flugdaten der “Friesland“ sind leider nicht mehr zu eruieren. Der letzte Flugplan der Deutschen Lufthansa wurde am 21.9.1944 herausgegeben. Eine direkte Linie Berlin – Stockholm ist
eingezeichnet, und offensichtlich war bei diesem Schicksalsflug der „Friesland“ eine Zwischenlandung in Malmö vorgesehen. Seit 1942 hatte man in den Flugplänen der Lufthansa keine Abflugzeiten
mehr angegeben, um den feindlichen Jägern keine Anhaltspunkte zum Abschuss zu liefern. Es kam leider während des ganzen II. Weltkriegs zu zahlreichen Abschüssen von Zivilflugzeugen auf allen
Seiten.
Unter den Passagieren an Bord der abgeschossenen „Friesland“ taucht der Name von Vikar Erik Perwe auf. Durch diesen Namen erhält die Geschichte der FW200 „Friesland“ noch eine zusätzliche,
tiefgründigere Bedeutung. Erik
Perwe war Pfarrer der schwedischen Viktoriagemeinde in Berlin. In seiner Funktion half er Juden, ausser Landes zu kommen. In dem Buch von Maria Gräfin von Maltzan „Schlag die Trommel und fürchte
dich nicht“ schrieb sie: Erik Perwe, der im Herbst 1944 einen grösseren Transport von Juden nach Schweden vorbereitete, flog, um Pässe und Geld zu besorgen, von Tempelhof aus Richtung Heimat.
Über der Ostsee wurde die Maschine jedoch abgeschossen. Es ist klar, dass es sich hierbei um den Flug der FW 200 „Friesland“ handelt.
Quellen:
Heinz J. Nowarra, Focke Wulf FW 200 „Condor“, Bernard & Graefle 1993
Hans-Ulrich Schulz, Berlin, Das Ende der FW 200 Condor D-AHRW Friesland, Bulletin der
Forschungsgemeinschaft Berlin e.V.
Internetrecherche:
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